Achtsam kündigen – scheiden tut 2x weh

achtsam kündigen

Achtsam kündigen? Geht das überhaupt?

Jede Trennung tut weh. Meistens beiden Seiten. Sehr oft tut es der einen Seite nach der Aussprache des Trennungswunsches stärker weh… und der anderen Seite davor. Weil das so ist, hat sich mindestens bei einer Seite vorher bereits eine ganze Menge aufgestaut, bis man schließlich in Fortsetzung der Beziehung keinen Sinn mehr sieht und den Trennungswunsch endlich ausspricht.

Solltest du bei den ersten Zeilen gedanklich in vergangene oder bestehende Paarbeziehungen abgedriftet sein, erinnere ich gern daran, dass wir hier von einem Arbeitsverhältnis, einer Arbeitsbeziehung sprechen.

Auch Arbeitsverhältnisse sind Ausdruck einer Beziehung, einer Arbeitsbeziehung.

Manchmal frage ich mich, wie viele Arbeitnehmer beim Ausspruch ihrer Kündigung sich wohl ähnlich viele Gedanken um den Arbeitgeber und die Folgen für das Unternehmen machen, wie es viele Arbeitgeber umgekehrt mit Blick auf den zu kündigenden Mitarbeiter tun. Ja, viele kommen mir jetzt wieder stereotyp mit dem verzerrten Bild vom kalten, geldgierigen Arbeitgeber. Ich will nicht abstreiten, dass es diese gibt. Gleichzeitig sehe ich verantwortliche Arbeitgeber, vorwiegend Mittelständler, mit Gewissensbissen und einem schlechten Bauchgefühl bei der Kündigung von Arbeitnehmern in großer Mehrzahl.

Aber wie jetzt achtsam kündigen?

Geht das überhaupt? Egal wieviel Mühe ich mir gebe, der Arbeitnehmer wird mich anschließend wohl kaum nett finden. Er ist zunächst einmal massiv enttäuscht, vielleicht auch wütend, fühlt sich ausgeliefert. Das alles sind ganz normale Reaktionen. Erschwerter Atem, feuchte Augen, Schwindelgefühle, bis hin zu kalten, schwitzigen Händen, sind alles ganz natürlich körperliche Reaktionen auf so eine Nachricht. Das solltest du dir vor jedem Kündigungsgespräch klar machen und diesen allzu menschlichen Reaktionen den notwendigen Raum geben. Nicht gleich weiterbrabbeln, sondern einfach mal einen Moment schweigen.

Auf der Sachebene gibt es viel zu beachten.

Jede Kündigung will gut überlegt sein. Das ist bereits die wichtigste Grundlage achtsam kündigen. Es gilt alle Aspekte gegeneinander abzuwägen, bevor man so einen schwerwiegenden Schritt der Kündigung wählt. Wenn es allerdings keine tragfähigen Alternativen zu einer Kündigung gibt, dann hilft auch kein Hinauszögern. Das macht alles nur noch viel schlimmer.

Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht derartige Gespräche in beruhigter Atmosphäre und definitiv unter vier Augen zu führen. Ich würde sogar sehr beiläufig darauf achten, dass dieses verstrauliche Gespräch weder mitgeschnitten, noch mitgehört werden kann.

Die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Dann gilt es das gesamte Gespräch über in ausgesprochen beruhigter Grundhaltung und ausschließlich auf der Sachebene zu führen. Wenn dir das schwer fällt, dann trainiere das. Es ist elementar. Trainiere auch die konsequente Anwendung gewaltfreier Kommunikation. Hast du diesen Rahmen geschaffen, kommt der schwierige Teil. Ab hier sprichst du die Wahrheit, die reine Wahrheit. Menschen merken gerade in solchen Situationen sofort, ob sie angelogen werden, ob da noch was ist, dass nicht ausgesprochen wurde. Das macht noch aggressiver, als die Wahrheit aushalten zu müssen. Die Wahrheit bedeutet aber auch, dass du nicht nur nichts Wesentliches weglässt, sondern jegliche Überhöhung bestimmter Ereignisse oder Verhaltensweisen gehören da auch nicht hin. Mach dir selbst auch die guten Zeiten eurer Arbeitsbeziehung bewusst.

Der Mensch, der dir gegenüber sitzt war zumindest mal gut genug für eine Einstellung.

Darüber hinaus wird dieser Mensch auch sonst allerhand Gutes zum Unternehmen beigetragen haben. Auch das darf gerne mit erwähnt werden. So kann dein Gegenüber nachvollziehen, dass du alle Pro- und Kontraargumente sorgfältig abgewogen hast. Schließlich bist du aber zu dem !unverhandelbaren! Ergebnis gekommen, dass eine Trennung unausweichlich ist. Das ist übrigens der ganz zentrale Punkt:

Alles kann verhandelt werden, nur die Trennung selbst nicht.

Ab hier beginnt der eigentliche Dialog. Gehe möglichst ergebnisoffen in das weitere Gespräch. Zu welchem Datum trennt ihr euch? Wird es eine Abfindung geben, oder nicht? Was gibt es noch zu klären, zu verhandeln? Ich ermittle für mich immer die maximalen Kosten einer streitbaren Kündigung. Also Kündigungsfrist, zzgl. möglicher Regelabfindung, zzgl. ein bis zwei Monate oben drauf. Wozu du Bonusmonate fragst du dich? Das ist der Gegenwert der ersparten Gerichts- und Anwaltskosten. So hast du recht leicht ermittelt, was dich dieses Arbeitsverhältnis im Streitfall noch bis zum Ende kosten wird. Gehe besser gleich davon aus, dass du in dieser Zeit keine oder nur eine äußerst geringe Arbeitsleistung dagegen rechnen kannst.

Freigestellt oder vorsätzlich krank, wo ist schon der Unterschied?

Fest steht, dass es nur wenige Fälle sind, wo die betreffenden Arbeitnehmer noch willens und in der Lage sind das Arbeitsverhältnis ordentlich zu Ende zu bringen. Manchmal ist eine sofortige Freistellung sogar sicherer. Du wirst deine Pappenheimer am besten kennen und abschätzen können, welcher potenzielle Vertrauensschaden von einem gekündigten Arbeitnehmer ausgehen kann.

Der zuvor ermittelte Wert aus Monate mal Bruttoentgelt ist nun deine Verhandlungsmasse. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht im Rahmen der Verhandlung hiervon nichts in Abzug zu bringen, sondern dieser Betrag steht dem Mitarbeiter nun zur Verfügung. Du kannst zum Beispiel anbieten gegen einen Monat Abzug eine sofortige und unwiderrufliche Freistellung zu vereinbaren. Ferner solltest du auch eine Sprinterklausel einbeziehen: der Betrag bleibt auch bei einem früheren Beendigungsdatum gleich und der verbleibende Teil wird der Abfindung zugeschlagen.

Dein Gegenüber ist von der Informationsfülle oft erschlagen.

Deshalb sprich langsam, wiederhole dich ruhig häufiger. Vor allem aber verlange keine Entscheidung im direkten Gespräch. Lass deinem Gegenüber den Raum zu Rückzug, Besinnung und ggf. auch Klärung eigener Fragen mit Personen seines Vertrauens. Dazu empfehle ich sehr oft sich direkt Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht zu holen. Viele glauben, ein Rechtsanwalt ohne Fachanwaltschaft täte es auch. Ich bin rund 25 Jahre ehrenamtlicher Arbeitsrichter. Glaube mir, es ist mehr als sinnvoll auf einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu setzen – für beide Seiten.

Schließlich folgt ein ungewöhnliches Angebot.

Sehr häufig biete ich abschließend meine Kontakte und Möglichkeiten an, um bei der Suche nach einem neuen, vielleicht besser passenden Arbeitgeber aktiv behilflich zu sein. Das meine ich sehr ernst und wenn mein Angebot angenommen wird, dann bin ich in dieser Frage aufrichtig engagiert. Nur weil es zwischen euch nicht mehr weitergeht, heißt es noch lange nicht, dass dieser Arbeitnehmer in einem anderen Unternehmen nicht ganz hervorragend performen kann. Das ist der Moment, wo du nochmal deine ganze ehrliche Wertschätzung für diesen Menschen in die Wagschale werfen kannst – und solltest.

Spätestens dann wird klar: es geht um die Sache und es ist keine Gemeinheit gegen den Menschen.

  • Welche Erfahrungen hast du bislang mit Trennungsprozessen gemacht?
  • Bist du so schon mal vorgegangen – achtsam kündigen?
  • Welche bevorzugte Vorgehensweise wendest du an?

Hier findest du noch eine weitere Anregung zum Thema. Lass uns sehr gerne in den sozialen Medien unter dem Post zu diesem Blogartikel in den Austausch gehen.

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