Glück empfinden und Leid vermeiden

Glück empfinden und Leid vermeiden

Menschen sind so herrlich simpel gestrickt, dass ich mich immer wieder frage, warum wir uns dann mit Führung und auch allgemein im Umgang so schwer miteinander tun. Im Kern wollen wir alle doch nur zwei Dinge:

  1. Glück empfinden
  2. Leid vermeiden
 
Nein, hinter der angegebenen Reihenfolge steckt keine Absicht. Für mich gibt es da keine Abfolge, aber es sind eben diese zwei Dinge – ohne Priorität. Was uns wann und wodurch als die sinnvolle Strategie erscheint, folgt keiner Abfolge, sondern ist jeweils kontextbezogen. Früh lernen wir, dass wir bestimmte Dinge nicht tun sollen, sonst wird es schmerzhaft. Diese Schmerzen liegen manchmal in der Sache selbst, denken wir doch einfach an die viel zitierte heiße Herdplatte. Manchmal gibt es diese Schmerzen auch quasi on top, das ist dann eher der Klaps auf die Finger oder in den Nacken. Auch das Glück empfinden wir mal aus der Sache selbst, wenn sich ein wohliges Gefühl im Magen beim Verzehr von etwas sehr Leckerem ausbreitet, oder als Extra. Dieses Extra besteht dann oft in Lob und Anerkennung oder Zuneigung bis hin zu Liebe.

Das alles ist natürlich zutiefst erforscht und ich erspare dir hier die x-te Wiederholung der Wirkungsweisen der unterschiedlichsten Hormone und Botenstoffe, die dafür verantwortlich zeichnen. Wann immer Glück und Leid nicht aus der Sache selbst kommen, sondern als Ergebnis eines Bewertungsprozesses von außen, durch eine weitere Person, gilt häufig

Leid funktioniert schneller, unmittelbarer als Glück.

Und so haben sich über Generationen Führungsmechanismen etabliert, die geeignet sind Leid zu produzieren, Schmerzen zu verursachen. Manchmal wirkt Leid so stark, dass es in uns auf unbestimmte Zeit als Trauma nachhallt. Die Fähigkeit, die Möglichkeit dies Dritten gegenüber tun zu können nennen wir übrigens “Macht”. Ein Grund, warum dieser Begriff in unserer Gesellschaft nur höchst selten positiv besetzt ist.

Nun entstehen im Führungskontext aber gleich zwei Probleme. Wir lernen recht schnell, wie wir uns vor diesem Leid durch Dritte schützen. Durch tarnen, täuschen, verpissen. Ist der Sache selbst, dem eigentlichen von der Führungskraft angestrebtem Ziel gedient? Wohl kaum. Außerdem wird damit stets nur klar was nicht sein soll. Was sein soll, ist nur im explizit erklärten Umfang klar. Ab hier wird es für die Führungskraft dann unfassbar mühsam. Sie muss allerhand Kontrollmechanismen erdenken, etablieren und ständig nachjustieren. Zusätzlich gilt es fortwährend Ergänzungen vorzunehmen an der endlos langen Liste, was alles nicht sein soll.

Mir ist das zu anstrengend!

Da konzentriere ich mich doch lieber auf den alternativen Weg und unterstütze Mitarbeiter in einer Art und Weise dabei Glück zu empfinden, dass diese gleichzeitig auf die Zielsetzungen des Unternehmens einzahlen. Dabei fokussiere ich mich in der Lenkung von Verhalten (einfach eine andere Formulierung für “Führung”) nicht nur auf die positive Verstärkung. Das ist die lobende und anerkennende Hervorhebung von gewünschtem Verhalten. Insbesondere gilt mein Bemühen den Sinn hinter einer Sache herauszuarbeiten.

Wir können natürlich einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin sagen: “Tue dies, oder tue jenes.”. Wirksamer und besser abgesichert gegen Unvorhergesehenes während der Durchführung ist es aber doch, wenn wir eine Aufgabe vom Ergebnis her beschreiben. Dadurch werden die Erläuterungen oft etwas länger, aber wenn dann Anpassungen auf dem Weg zum beschriebenen Ziel erforderlich werden, können die Mitarbeiter regelmäßig die erforderlichen Entscheidungen zur Anpassung selbst treffen.

Was soll erreicht werden (Zielinhalt, Zielausmaß, zeitlicher Bezug)?

Damit haben wir aber die Sachebene noch nicht verlassen. Wir Menschen sind nun mal emotionale Wesen. Es kommt bei der Aufgabenerfüllung also ganz wesentlich auf die Gefühle unserer Mitarbeiter an, die diese während der Aufgabenerfüllung in sich tragen. Deshalb ist die Delegation einer Aufgabenstellung erst dann als vollständig abgeschlossen zu betrachten, wenn eine gute Ziel- oder Ergebnisbeschreibung auch umfasst welchen Sinn das Ganze hat. Es gilt diese Aufgabe in den Gesamtkontext einzuordnen. Selbst wenn jetzt die Zielbeschreibung unvollständig war, oder durch Ereignisse das Ziel insgesamt in Frage steht, sind Mitarbeiter in der Lage mit Blick auf den Sinn ein neues Ziel selbständig zu umschreiben und darauf hin zu arbeiten.

So vorzugehen kostet am Anfang etwas mehr Zeit, ergibt aber auf der Strecke viel mehr Geschwindigkeit und Flexibilität.

Obendrein ist das, was es zu erreichen gilt, am Ende auch um ein Vielfaches sicherer erreicht. Wenn das erreichte Ziel dann geeignet ist auf unser Glücksempfinden einzuzahlen, dann sind wir weit gekommen. Das Glücksempfinden sollte dabei nach meiner Auffassung aber nicht allein vom Lob und der Anerkennung durch die Führungskraft abhängig sein. Wobei das allein schon dermaßen sträflich oft und konsequent vernachlässigt wird, dass es mir regelmäßig die Haare zu Berge stehen lässt. Als sei es eine unfassbare Zumutung für eine Führungskraft wird genau an diesem wichtigen Punkt durch umfassende Tatenlosigkeit geglänzt. Aufrichtige Anerkennung ist zwar eine wesentliche Grundlage, aber längst nicht ausreichend. Hinzu kommt ein ganzes Instrumentarium für echte Teilhabe. Niemand kämpft gern und mit großer Leidenschaft für die Ziele und den Erfolg anderer. Es erfordert eine sinnvolle und umfassende Antwort auf die Frage:

Was habe ich davon?

Und wieder gilt, lediglich vermiedenes Leid trägt nicht lang und nicht weit genug. Es ist angesichts der zunehmenden Arbeitsplatzqualität, des Fachkräftemangels und des gemeinsam erarbeiteten Wohlstandes, bei gleichzeitig stetig steigender sozialer Absicherung klar, dass dann zunehmend auf verpissen gesetzt wird.

Wer heute noch auf Druck und Sanktionen setzt, hat morgen keine Mitarbeiter mehr.

Echte Teilhabe geht über rein monetäre Aspekte weit hinaus. Natürlich müssen wir uns überlegen in welcher Form ein gerechter Anteil an der gemeinsamen Wertschöpfung über die gesamte Belegschaft verteilt werden kann. Ebenso sinnvoll ist es Bindungskräfte ans Unternehmen dadurch zu stärken, dass es auch faktisch unser Unternehmen und nicht nur das des Chefs ist. Richtig kraftvoll wird es aber, wenn wir uns hinter einer gemeinsamen Sinnerfüllung versammeln können und die Fähigkeit beständig weiter entwickeln jeden richtigen Schritt dorthin angemessen zu sehen, hervorzuheben und zu feiern.

Glück empfinden und Leid vermeiden bedeutet nichts anderes als befriedigte und nicht befriedigte Bedürfnisse.

Damit kommen wir als Führungskraft der Antwort auf die Frage wie wir Mitarbeiter dabei unterstützen können Glück zu empfinden und Leid zu vermeiden, welchen Rahmen wir dazu bewusst setzen können und welche Aktionen und Reaktionen wir beitragen dürfen. Wenn uns also klar geworden ist, dass es uns im Kern immer nur um diese zwei Dinge geht, dann können wir uns im nächsten Schritt mit den Bedürfnissen auseinandersetzen, die auf diese zwei Dinge einzahlen.

Dies führt für diesen Blogartikel aber zu weit. Deshalb freue dich schon heute auf den nächsten Beitrag, der am 06.09.2021 erscheint.
Bis dahin verkürze doch sehr gerne uns beiden die Zeit und schreibe in den Kommentar deine Antworten zu folgenden Fragen:

  • Welche deiner Bedürfnisse wurden zuletzt durch einen Menschen befriedigt oder verletzt?
  • Welche Bedürfnisse hast andersherum du zuletzt bei einem anderen Menschen befriedigt oder verletzt?
  • Welche Rahmenbedingungen in deinem Unternehmen tragen regelmäßig und institutionell dazu bei Bedürfnisse von Mitarbeitern zu befriedigen oder zu verletzen?

2 Antworten

  1. Glück empfinden – Leid vermeiden

    Sehr geehrter Herr Barghorn,
    wir leben in einer schnellen und oftmals sehr ungerechten (Berufs)Welt. Erst kürzlich hatte ich einen Dialog. Ich erklärte, dass ich es nicht nötig habe, Mitarbeiter straff und autorär zu führen, ich bevorzuge einen ruhigen, besonnenen Stil und erreiche Ziele ohne den unnötigen Druck. Zwei Welten trafen aufeinander. Der “Humanunternehmer” zeigt auf höchster Ebene, dass es geht – humanes Führen.
    Ihr Blog liest sich sehr spannend mit seinen schon fast philosophischen Ansätzen, ganz im Sinne eines Marc Aurel, Cicero oder Platon. Höchst interessant und sehr kurzweilig!
    Aus berufspädagogischer Sicht ein nicht uninteressanter Ansatz für Weiterbildungsmaßnahmen für zukünftige Führungskräfte im mittleren Management.

    Beste Grüße
    Ralf Peter Zander

  2. Vielen Dank für diese tolle Rückmeldung.
    Ich freue mich über alle Führungskräfte und insbesondere Unternehmer, die diesen Ansatz verfolgen. Ich weiß, dass er sich lohnt. Menschlich wie wirtschaftlich. Der Abschied von einer kurzfristigen Denkweise ist allerdings Voraussetzung.
    Einen schönen Abend noch, Gunnar Barghorn

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