Nur nicht nervös bleiben

Ich führe mit jedem einzelnen Mitarbeiter einmal im Jahr ein Zukunftsgespräch. Das sind bei unserer aktuellen Belegschaftsstärke also ungefähr 2 Gespräche pro Woche. 

Diese rund 4% meiner Arbeitszeit sind die wertvollste Investition in das Unternehmen.

Diese Gespräche sind sehr wertvoll, denn wir sprechen nicht nur über die Zukunft des jeweiligen Mitarbeiters, sondern auch darüber wo aktuell Sand im Getriebe ist. Wir sprechen also darüber wo wir durch Weglassen und Auflösen von Barrieren und Behinderungen mehr Geschwindigkeit erreichen. Es geht dabei aber nicht nur um mehr Geschwindigkeit, es geht parallel auch um ein höheres Wohlbefinden und ein stärkeres Gefühl der Wirksamkeit für den betreffenden Mitarbeiter. Der sogenannte Sand im Getriebe ist nämlich nicht nur ein Nachteil für unsere Kunden, quasi der Unterschied zwischen echter Arbeit und Beschäftigung. Nein, dieser Sand, also die reine Beschäftigung ohne Wirksamkeit für den Kundennutzen, ist vor allem für Mitarbeiter sehr nervig.

Nur Tätigkeiten mit Auswirkung auf den Kundennutzen sind Arbeit – alles andere ist Beschäftigung.

Bei einem der jüngsten Gespräche kam der betreffende Mitarbeiter bei der Frage nach dem Sand im Getriebe aber auf einen ganz anderen Aspekt, der meine besondere Aufmerksamkeit verdiente. Er berichtete wie sehr er sich oft durch seine eigene Nervosität, gerade gegenüber Kunden, im Weg stünde, wieviel Zeit es ihn koste und welch ein schwaches Bild er dabei beim Kunden hinterließe. So zumindest seine Wahrnehmung von sich selbst in diesen Situationen.

Mit dieser Form von Sand im Getriebe hatte ich es in den bisherigen Gesprächen noch nicht zu tun gehabt.

Wir sprachen zunächst eingehender über seine Wahrnehmung zu diesen Situationen. Bezeichnend war, dass er kein einziges Kundenerlebnis benennen konnte, wo seine Nervosität ihren Ursprung hatte. Demnach lag die Keimzelle hierfür ganz woanders und damit bei ihm selbst. Das war einerseits gut, denn es fehlte so die harte äußere Evidenz. Gleichzeitig war es schlecht, denn die vage Versagensangst blieb damit ohne benennbaren Auslöser. Ich erläuterte ihm zunächst die verschiedenen Seiten der Angst.

Angst ist wichtig, um uns vor Gefahren zu schützen.

Andererseits bewahren uns manche Ängste aber auch vor Gefahren, die gar nicht existieren. Mir ging es also um den Versuch dem Mitarbeiter einen Blick darauf zu ermöglichen wie das reale Bild hinter der Angst aussieht. Eine Methode, die ich für mich selbst sehr regelmäßig, intensiv und mit großem Erfolg einsetze. Also, rein in die Situation. Was waren denn nun die möglichen Optionen des Versagens? Wie konnte ein solches Versagen denn konkret aussehen? Welche Folgen waren denkbar und welche wahrscheinlich?

Unser Kopf liefert oft viel mehr, als die Realität bieten kann.

Nachdem wir die potenziellen Folgen durchgegangen waren, konnte sich mein Mitarbeiter sichtlich entspannen. Danach habe ich ihm noch meine grundsätzliche Denkkaskade vorgestellt, welche blitzschnell in meinem Kopf abläuft, sobald ich einem Problem begegne:

  1. Ist das Problem eine Gefahr für Leib und Leben?
    Die Antwort ist in 99,9% der Fälle NEIN und es tritt schlagartig eine weitestgehende Entspannung ein.
  2. Ist das Problem eine Gefahr von wirtschaftlich existenzieller Dimension?
    Hier ist die Antwort nicht ebenso oft bei NEIN wie bei der ersten Frage. Dennoch liegt der Nein-Anteil sicher nicht nur bei mir deutlich über 90%.

Habe ich zu diesen zwei Fragen zweimal ein Nein erhalten, dann ist jedes Problem plötzlich sehr klein, denn es ist mit Zeit und oder Geld lösbar.

Hinzu kommt die Erkenntnis, dass Angst, Hektik und Stress bei der Lösungsfindung kaum hilfreich sind.

Wenn wir also einen geklärten Blick für die potenziellen Folgen eines Problems entwickeln und daraus die Erkenntnis gewinnen, dass uns Ruhe und Übersicht schneller zum Ziel bringen, haben wir schon sehr viel erreicht. Für meinen Mitarbeiter genügten diese Hinweise aber noch nicht, denn für ihn ist der empfundene Druck besonders hoch, wenn er dem Kunden direkt gegenüber steht. Darin vermute ich zunächst einmal ein schwächer ausgebildetes Selbstwertgefühl. Wir haben also einige Zeit darauf verwenden auch hierzu einen klareren Blick zu gewinnen. Eine Erkenntnis war: Wenn unser Kunde die für dich vorgesehenen Arbeiten selbst ausführen könnte und wollte, dann würde er dich nicht benötigen. Damit besitzt du zu dieser Aufgabenstellung schon mal ein höheres Niveau an Können und Wollen, als der Kunde selbst. Dich zu beauftragen ist damit schon ein Zeichen der Wertschätzung, welches du beruhigt auf dich wirken lassen kannst.

Perfektion weckt Aggression –

war die nächste wichtige Erkenntnis. Es geht auch beim Arbeitsergebnis eines Handwerkers nicht um Perfektion. Es geht auch hier immer um die zu erfüllende Kundenerwartung. Diese liegt regelmäßig unterhalb des Anspruches eines Handwerkes an sich selbst und an sein eigenes Können. Das ist auch gut so, denn stets ein wenig Übererfüllung trägt auch wesentlich zur Kundenzufriedenheit bei, manchmal reicht es sogar zur Kundenbegeisterung. Ständig aber am Limit der eigenen Möglichkeiten zu arbeiten ist eine Überforderung, welche langfristig niemandem dient. Also ist auch hier wieder ein geklärter Blick für die Realitäten und Erfordernisse hilfreich.

Begegnet dir jemand aggressiv und übergriffig, werde vor deinem inneren Auge zum Riesen.

Das ist zumindest meine Methode, wenn eine Begegnung droht unangenehm zu werden. Das Bild des beständig wachsenden Riesen ist für mich dann sehr hilfreich. Es unterstützt mich dabei die Ruhe zu bewahren, den anderen sich erstmal entladen zu lassen und ihm aufmerksam zuzuhören. Eine Erkenntnis gewinne ich dabei immer wieder: Was Hans über Erwin sagt, sagt mehr über Hans, als über Erwin. Also lausche ich erstmal aufmerksam was Hans da so alles über sich am Spiegelbild von Erwin zu erzählen hat. Ich erkenne seine Ängste, Nöte und Zwänge. Danach bin ich dann sehr ehrgeizig Hans bei seinem Problem zu helfen, denn alles was Hans da erzählt hat, hat zunächst einmal nichts mit mir persönlich zu tun. Dafür kennt Hans mich gar nicht gut genug und ich allein entscheide auf wessen Urteil ich etwas gebe. Zu diesem Kreis gehören nur sehr wenige Personen.

Ohne Demut ist alles nichts.

Darüber brauche ich mir bei diesem Mitarbeiter allerdings ganz sicher keine Sorgen zu machen. Aber ja, man kann es mit dem Selbstwertgefühl auch in die andere Richtung zu weit treiben. Dann ist Demut ein wichtiger Regulationsmechanismus. Bei aller Selbstsicherheit und aller Klarheit über das eigene Wissen, Können und Wollen, wenn ich mir meiner eigenen Unbedeutsamkeit und vor allem meiner Dienstwilligkeit nicht bewusst bin, dann laufe ich Gefahr die Beziehung und gar den Kontakt zu anderen Menschen zu verlieren. Demut kommt übrigens vom Althochdeutschen diomuoti und bedeutet dienstwillig. Das ist weit entfernt von der häufig anzutreffenden Fehlinterpretation der Unterwürfigkeit.

Ich hoffe, dass mein Mitarbeiter die positive Grundstimmung, mit der er das Gespräch verlassen hat, noch lange aufrecht erhalten kann. Ich hoffe vor allem, dass er die kleinen Grundübungen in seinen Alltag mitnehmen kann und regelmäßig nutzt. Dann wird er sich soweit von seinen Ängsten und Bedenken befreien, dass er sein volles Potenzial an Möglichkeiten auch tatsächlich auf die Straße bringt. Das wünsche ich ihm von ganzem Herzen.

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Gunnar Barghorn

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